WEEKLY CRUSH
Stella B. Bohn
13. Dezember 2022
Vergangene Woche war ich an der Buchvorstellung “Diversität der Ausbeutung” von Eleonora Roldán Mendívil & Bafta Sarbo (Hrsg.) in der ZWZ. Marxistischer Antirassismus. Vieles wurde angeschnitten, einiges vertieft, schnell und hitzig gesprochen, schlagfertig argumentiert.
Inhaltlich war die Veranstaltung zweifellos bereichernd, eine bisher unbekannte politische Sicht wurde mir zugetragen, vieles davon hat für mich Sinn ergeben und inspirierte dazu, mehr darüber Wissen zu wollen.
Das Setting allerdings war für mich mehr als überfordernd und in einigen Aspekten nicht zugänglich. Die Masse an Menschen war erschreckend für eine Person wie mich, die grosse Gruppen und Menschenansammlungen meidet. Das Tempo, in dem die Redner*innen gesprochen haben, kam mir grösstenteils so vor, als würde ich in einem Hochgeschwindigkeitszug sitzen und versuchen, die Wort-Gestrüppe draussen zu betrachten. Mein Gehirn zoomte regelmässig in andere Galaxien und meine ganze Kraft floss in das Verfolgen der Wortansammlungen und die Umwandlung dieser zu Sätzen. Zudem waren gefühlt 98% der Zuschauenden keine BIPoCs, was für mich immer kritisch zu betrachten ist, insbesondere wenn Themen wie Antirassismus verhandelt werden.Ich war müde von einem anstrengenden Arbeitstag und fühlte mich mehr nach Sofa und Wärmedecke als nach Menschenauflauf und Genossen-Ansprachen. Darum traf mich etwas ganz besonders, dass die Redner*innen ansprachen: Der Kapitalismus will keine sich politisierenden Bürger*innen. Natürlich wählen die Menschen nach 8h arbeiten lieber Netflix & chill – das ist wortwörtlich zu verstehen, denn wer hat nach einem langen Arbeitstag noch Energie für spielerischen Sex? – als sich in einem unbeheizten Raum mit anderen über eine Umstrukturierung der Gesellschaft zu unterhalten.
Was brauchst du, damit politische Diskussionen für dich zugänglich sind?
Wie müssen politische Diskurse gestaltet werden, damit mehr Menschen daran teilnehmen können?
Wie können Veranstaltungen so gestaltet werden, dass sie auch für BIPoCs interessant sind?
Sind deine politischen Diskussionen zugänglich?
Wer ist deine Zielgruppe?
Wie lassen sich kapitalistische Erschöpfung mit politischem Engagement vereinen?
Wer kann sich erlauben, solche Fragen zu stellen?
Wer kann sich mit Revolution beschäftigen?
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit politische Diskurse zu führen kein Privileg mehr ist?